Samstag, 21.08.2021 | Bundesweiter „Wer hat, der gibt“ Aktionstag |Demonstration | 14.00 Uhr | Lessingplatz | Kiel
Eine Villa in Düsternbrook, Heikendorf oder Übersee? Soll ich meine Milliarden lieber nach Malta oder Luxemburg verschieben? Welche Lobbyorganisation schützt mein Vermögen am besten und soll ich meinen Anteil an Deutsche Wohnen verkaufen? Kommt dir bekannt vor? Uns auch nicht!
Unsere Lebensrealität dreht sich nicht um Privatjets, Steueroasen und Machtsicherung. Reiche können sich solche Fragen stellen, weil wir für sie arbeiten gehen. Wir erwirtschaften ihr Vermögen in den Fabriken und Büros, die ihnen gehören. Wir zahlen horrende Mieten für Wohnungen, mit denen sie ihren Besitz vergrößern. Bei Stange gehalten werden wir mit der Erzählung, dass wir alle den Aufstieg schaffen können, dass Leistung sich bezahlt macht; es käme nur auf dich selber an, auf deinen Fleiß und deine Disziplin. Wer es nicht schafft, hätte sich eben nicht genug angestrengt. Und schon finden wir uns in dem Zwang wieder, für die Onkel-Dagobert-Fantasien Anderer zu ackern – nicht zum Spaß oder für unser Wohl, sondern um zu überleben.
Warum ist das so?
Soziale Ungleichheit ist in unserem jetzigen – vermeintlich stabilen – Wirtschaftssystem unausweichlich. Selbst wenn am Anfang alle Menschen gleich reich wären, so würde sich das Vermögen innerhalb absehbarer Zeit auf sehr wenige Personen konzentrieren – ein globaler Vermögensfluss von riesigem Ausmaß. In Deutschland besitzen aktuell 45 Hyperreiche so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung.
Anstatt dieser Realität entgegenzuwirken, bevorteilt die Politik die Reichen: Vermögen werden nicht effektiv besteuert und Steuertrickser*innen geschützt. Die fehlenden Einnahmen werden bei der breiten Bevölkerung abgesahnt. Wir alle müssen mehr Steuern zahlen und leiden unter den Kürzungen der Ausgaben für das Gemeinwohl. Die Regeln im Kapitalismus sind offensichtlich: Den Armen wird genommen, um den Reichen zu geben.
Die Konsequenzen treffen uns hart. In den Städten explodieren die Mieten, weil unser Zuhause in diesem System nicht nur Wohnraum ist, sondern auch Anlageobjekt von Wohnungskonzernen und deren Aktionär*innen.Viele Menschen finden keine geeignete Wohnung mehr oder werden nach Jahren und Jahrzehnten aus ihrem Zuhause geschmissen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können. Gleichzeitig werden Häuser bewusst leer gehalten werden, um das Angebot zu verknappen und die Preise für bestehenden Wohnraum zu steigern. Instandhaltungen und Mordernisierungen werden nicht zum Wohl und entsprechend der Bedürfnisse der Menschen durchgeführt, die in den Häusern leben, sondern als Investment in die Zukunft verstanden. Die Kosten aber werden wie selbstverständlich auf die Miete umgelegt. So wandert ein wachsender Teil unseres Lohns in die unbesteuerten Taschen einiger Weniger. Letztlich sehen wir dabei zu, wie sich unsere Viertel durch Aufwertung und Verdrängung zunehmend in Rückzugsorte für Reiche verwandeln. Auch in Kiel sind diese Entwicklungen deutlich zusehen. In den letzten vier Jahren sind die Mieten hier durchschnittlich um 15% gestiegen und die Ungleichheiten zwischen dem Reichenviertel Düsternbrook und Stadtteilen, wie Gaarden oder Mettenhof sind so stark wie in kaum einer anderen Stadt. Kiel ist da Platz 1 unter den westlichen Städten. Besonders ausgeprägt ist die soziale Spaltung in Kiel bei der Kinderarmut: In den Stadtteilen Gaarden und Mettenhof wächst mehr als jedes zweite Kind in Armut auf, in Meimersdorf zum Beispiel sind es weniger als 5%.
Auch mit der Klimakatastrophe stehen wir vor einer existenziellen Bedrohung bei der die soziale Ungleichheit ihr Übriges tut: Ein Großteil der deutschen CO2-Emissionen geht auf das Konto der Reichen, wie aktuelle Studien belegen. Während die Folgen der Erderhitzung wie Sturmfluten, Dürreperioden und Überschwemmungen vor allem die Ärmsten der Welt treffen, haben die Reichen genug Cash, um sich dem Klimawandel problemlos anzupassen. Wenn das Ferienhaus auf Sylt untergeht, kann immer noch auf der Luxus-Yacht entspannt werden. Anstatt der Klimakatastrophe mit effektiven Maßnahmen zu begegnen, handelt die Politik weiter im Interesse klimaschädlicher Konzerne und der Reichen. Sie schmückt sich mit Scheinlösungen – wie einem viel zu späten Kohleausstieg – und tritt damit die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen mit Füßen.
Zudem leiden besonders diejenigen von uns, die schon massive Benachteiligungen durch rassistische, sexistische oder andere Arten der Diskriminierung erfahren. Egal, ob an der Kasse oder auf dem Feld, ob als Fahrradkurier*in oder Reinigungskraft: Die Ausbeutung erweist sich dort als besonders ergiebig, wo sie auf die Not gesellschaftlich Benachteiligter trifft. Da hilft auch kein Diversity-Anstrich.
Die Pandemie hat soziale Ungleichheiten weiter verstärkt. Durch Kurzarbeit und Kündigungen, geschlossene Kitas und Schulen sowie weggefallene soziale Unterstützungsangebote wurden viele Menschen an ihre Belastungsgrenzen getrieben und in Existenznot gebracht. Besonders hart getroffen hat es dabei benachteiligte Bevölkerungsgruppen wie prekär Beschäftigte und Hartz IV-Empfänger*innen. Aber auch Frauen und queere Menschen, die von der Zunahme der Haus- und Sorgearbeit betroffen waren. Auf die größten Haufen wurde aber weiter geschissen: Das Vermögen der deutschen Milliardär*innen wuchs um 22%, das sind satte 100 Milliarden Euro. Klar ist auch, dass die kommende Regierung unter dem selbstauferlegten Zwang der Schuldenbremse auf Geldsuche gehen wird. Es ist zu befürchten, dass wir für die milliardenschwere Corona-Rechnung zahlen sollen. Entsprechende Vorstöße, beispielsweise Diskussionen über die Anhebung des Renteneintrittsalters sowie die Kürzung der Mütterrente, hat es schon gegeben. Aber da machen wir nicht mit. Wir lassen uns nicht länger ignorieren, denn:
Wir können uns die Reichen und ihren exzessiven Lebensstil nicht mehr leisten!
So wenig wie die Corona-Gesundheitskrise ist die soziale Krise überwunden. Der Welt der Reichen, in der nur Wenige profitieren, stellen wir unsere Welt der Vielen entgegen: der Angestellten und Arbeiter*innen, der Prekären, der Migrant*innen, der Illegalisierten und Marginalisierten, der Queers, der Studierenden und Rentner*innen, der Be_hinderten, der Überflüssigen, der Freaks und Künstler*innen. Wir sind Klasse.
Holen wir uns, was uns zusteht – laut, schrill, bunt und wild!