Zwei Jahre nach seinem Tod in Serêkaniyê haben Menschen in Kiel bei einer bewegenden Zusammenkunft an Konstantin Gedig (Andok Cotkar) gedacht. Ute Gedig erinnerte an ihren Sohn mit dem kurdischen Symbol des Nelkenapfels.
Der Saal des Kurdisches Gemeindezentrums in Kiel war bis zum letzten Platz gefüllt, als sich am Sonntag etwa 100 Teilnehmer:innen zur Gedenkveranstaltung anlässlich des zweiten Todestags des Kieler Internationalisten Konstantin Gedig (Andok Cotkar) versammelten. Andok Cotkar wurde am 16. Oktober 2019 in Serêkaniyê bei der Verteidigung der Rojava-Revolution durch einen völkerrechtswidrigen Luftangriff des NATO-Mitglieds Türkei getötet. Er hatte sich im Jahre 2016 den YPG und ihrem Kampf gegen den dschihadistischen „IS“ angeschlossen und wurde 24 Jahre alt.
Zur Begrüßung erinnerten zwei Vertreter:innen aus der kurdischen Befreiungsbewegung sowie der Solidaritätsbewegung an ihre persönlichen Begegnungen mit Andok Cotkar, die sich im Herbst 2017 in der Kurdisch-Sprachschule in Kiel ereigneten, als dieser nach seiner ersten schweren Verwundung für einige Monate in seine Heimatstadt zurückgekehrt war. Erst hier erfuhren lokale Freund:innen der Rojava-Revolution überhaupt von der Existenz des Kieler Internationalisten und seines Kampfes in den Reihen der kurdischen Befreiungsbewegung, den er auf eigene Faust begonnen hatte. In Erinnerung geblieben sei ihnen vor allem seine freundliche, zurückhaltende Art. Vielen sei klar gewesen, dass Andok nach seiner Regeneration zurück nach Rojava gehen würde.
Anschließend erhoben sich die Anwesenden zu einer Schweigeminute in Gedenken an Andok und alle Gefallenen des kurdischen Freiheitskampfes. Es folgte ein Beitrag von Heval Ali für die Organisation der Gefallenen-Familien, bevor ein Grußwort von Rechtsanwalt Alexander Hoffmann verlesen wurde, der die Familie Gedig seit dem Tod Konstantins juristisch betreut. Er erinnerte daran, dass Andok Cotkar aktiver Teil jenes Widerstands gewesen ist, der erfolgreich den faschistischen „IS“ besiegt hat. Der Kampf gegen den „IS“ müsse auch gegen den türkischen Staat, der die Dschihadisten nachweislich fördert, und gegen dessen NATO-Verbündeten und verlässlichen Waffenlieferanten Deutschland geführt werden.
Film von Philipp Hennig gezeigt
Nachfolgend wurde der Film „Freiwillig Krieg: warum zog Konstantin los?“ des NDR-Formats STRG_F von Filmemacher Philipp Hennig gezeigt. Der erst kürzlich erstausgestrahlte 33-minütige Beitrag porträtiert Konstantin Gedig anschaulich und zeichnet seine Motivation nach, als Andok Cotkar in den Krieg zu ziehen und zur Verteidigung des Lebens aller, sein eigenes aufs Spiel zu setzen. Im Film kommen auch Angehörige und Mitkämpfende ausführlich zu Wort, so auch seine Eltern: „Wenn Konstantin vom IS getötet worden wäre, wäre das für uns als Eltern unterm Strich gleich schlimm. Was aber unerträglich ist, ist, dass er durch ein Staatsverbrechen getötet wurde, von einem Staat, der enger Partner der Bundesrepublik Deutschland ist, der ständig Waffen liefert. Und das geht nicht. Eventuell ist unser Sohn durch deutsche Waffen oder deutsche Munition zu Tode gekommen.“ Mitglieder der Kurdischen Kulturschule widmeten dem Gedenken anschließend das Lied „Zana û Andok“ (Zana und Andok).
Ute Gedig: Das Leben im freien Raqqa ist ein Trost
Ute Gedig, Konstantins Mutter, erinnerte an ihren Sohn mit dem kurdischen Symbol des Nelkenapfels (ku. Sêva Mêxekrêj), dessen verschiedene Bedeutungen all das zusammenführten, was Andok und sein Kampf verkörpert habe: Frieden, Liebe und Aufrichtigkeit. Ein Trost im Umgang mit dem unendlichen Schmerz nach seinem Tod sei ihr das Leben, das nach der Befreiung Raqqas in die syrische Stadt zurückkehrte. Andok Cotkar hatte in den Reihen der YPG an den verlustreichen Gefechten teilgenommen, die den „IS“ vertreiben konnten. „Konstantins Entscheidung war ein Geschenk für die Menschen, die nun in ihre Heimat zurückkehren können.“ Gleichzeitig betrachte sie es als „Hohn, wenn die scheidende Bundeskanzlerin, genau zwei Jahre nach Konstantins Ermordung, seinen Mördern einen letzten Besuch abstattet.“ Angela Merkel hatte sich ausgerechnet an diesem Wochenende erneut zu diplomatischen Gesprächen mit dem türkischen Diktator Erdogan getroffen. Ute Gedig schloss ihre Rede, indem sie ihren Sohn als Held würdigte.
„Zu sagen, die Gefallenen sind unsterblich, sind keine leeren Worte…”
Nach einer Pause sprachen Milo und Lisa im Namen der Internationalist:innen und stellten fest: „Gäbe es in dieser Welt mehr Menschen wie Konstantin, wäre diese Welt eine sichere, gerechtere und bessere.“ Aufgabe aller Internationalist:innen sei es, die Revolution in Rojava zu verteidigen und den Aufbau des Demokratischen Konföderalismus zu unterstützen. Darauf stellte eine junge Aktivistin das jüngst erschienene Buch „Ein Leben voller Liebe und Hoffnung“ über die Internationalistin und Kommunistin Ivana Hoffmann vor. Die Duisburgerin ist im März 2015 als Teil der internationalen Kämpfer:innen der MLKP im Alter von 19 Jahren in Tell Tamer gefallen. Die kämpferische Rede schloss mit der Versicherung: „Zu sagen, die Gefallenen sind unsterblich, sind keine leeren Worte, sondern ein Versprechen, so lange zu kämpfen, bis wir in Frieden und Freiheit leben.“ Als letzter Beitrag wurde eine Videobotschaft des Rojava-Solidaritätskommitees Flensburg in Gedenken an Andok gezeigt.
Entnommen von ANF News.