DIE KOMMENDEN ZWEI VERANSTALTUNGEN SIND AUFGRUND DER CORONAVIRUS-PANDEMIE ERSTMAL ABGESAGT! WIR WOLLEN DIE VERNASTALTUNGEN ZU GEGEBENER ZEIT NACHHOLEN.
Es sind bewegte Zeiten. Autoritäre und rechte Ideologien gewinnen weiter an Zustimmung und ihre Vertreter*innen führen Angriffe auf erkämpfte Errungenschaften emanzipatorischer Bewegungen. Gleichzeitig sind in den vergangenen Jahren weltweit feministische Bewegungen so kraftvoll wie lange nicht mehr. Women’s marches, Frauen*streiks (1), #MeToo, „Ni Una Menos“ und viele mehr. Ob in den USA, Polen, Spanien, Lateinamerika, Türkei/Kurdistan, Deutschland oder anderswo – feministische Proteste bilden eine neue globale Bewegung. Auch in Kiel haben die Mobilisierungserfolge der letzten drei Jahre zu den Demonstrationen am 8. März gezeigt, dass ein großes Potential für eine kraftvolle feministische Bewegung und ein starkes Bedürfnis nach einer solchen besteht. Vor diesem Hintergrund möchten wir mit unserer Veranstaltungsreihe einen Beitrag zu der Auseinandersetzung mit dieser neuen und starken feministischen Bewegung leisten, die wir an einem Scheideweg sehen: Auf der einen Seite der Weg des liberalen Feminismus, dem die Idee von einer auf „Chancengleichheit“ beruhenden Herrschaft zu Grunde liegt und mit einer „Frauen* an die Spitze“-Argumentation daherkommt. Und auf der anderen Seite der Weg eines Feminismus, der die Grundfesten der kapitalistischen und patriarchalen Ordnung von Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung zu erschüttern versucht. Wir plädieren dafür, letzteren Weg einzuschlagen, das vermeintliche Gegeneinander von Identitätspolitik und Klassenpolitik zu überwinden und Teil einer feministischen Bewegung zu werden, die einen sichtbaren Gegenpol zur autoritären Rechten genauso wie zum Neoliberalismus markieren und Trägerin eines revolutionären Aufbruchs in eine solidarische Zukunft werden kann.
„Das Patriarchat aus dem Haus werfen“ – Zum Zusammenhang von Wohnraum und Patriarchat
Donnerstag, 23. April 2020 | 19 Uhr | Li(e)ber Anders | Iltisstr. 34, Kiel
Die Wohnung wie wir sie heute kennen ist ein widersprüchlicher Ort. Sie ist der Ort der Reproduktion und zugleich eine Ware. Der Wohnraum ist ein privater Rückzugsort in dem alltägliche Reproduktionsarbeiten wie Sorgeleisten, Bildung, Kochen und Saubermachen stattfinden. In dieser Funktion als private Reproduktionsphäre werden patriarchale Geschlechterverhältnisse und heteronormative Familienbilder zentral reproduziert. Gleichzeitig ist der Wohnraum eine Ware, die möglichst gewinnbringend verwertet werden soll, was zu steigenden Mieten, höheren Immobilienpreisen und Verdrängung und damit zu einer Einschränkung der Reproduktionsfunktion führt.
Im Vortrag geht es darum, aus feministisch-materialistischer Perspektive die Einbettung der Wohnung in diese widersprüchlichen gesellschaftlichen Verhältnisse, zu diskutieren. Im Anschluss wollen wir gemeinsam diskutieren inwiefern die Wohnungsfrage zentral für feministische Politiken sein kann.
Eva Kuschinski ist Soziologin und Geographin und aktiv im Arbeitskreis Feministische Geographien.
Frauenrevolution in Rojava und die Wissenschaft der Jineolojî
Montag, 23. März 2020 | 18.30 Uhr | ZEIK – Zentrum für Empowerment und Interkulturelle Kreativität | Elisabethstraße 68, 24143 Kiel
Von Dezember 2018 bis März 2019 reiste eine feministische Delegation der Kampagne Gemeinsam Kämpfen drei Monate lang durch die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien (Rojava) um die Revolution dort zu sehen, mehr über die gesellschaftlichen Ideen der kurdischen Befreiungsbewegung und ihrer Umsetzung zu erfahren und um die Geschichte und Realitäten der Menschen kennen und verstehen zu lernen. Schwerpunkt der Reise war dabei die Frauenrevolution in Nord-Ostsyrien. So hat die Delegation während ihres Aufenthaltes Interviews mit unterschiedlichen Frauen geführt, verschiedene Perspektiven, Geschichten und Realitäten von Frauen kennengelernt und gemeinsam diskutiert.
Im Rahmen der Veranstaltung berichten Genoss*innen der Delegation über ihre Erfahrungen während der Reise und ihre Eindrücke, die sie im Austausch mit den Kämpfer*innen der kurdischen Frauenbewegung gesammelt haben. Auch soll ein Blick auf die Jineolojî, der Wissensschaft der Frau, geworfen werden, welche im Rahmen des Freiheitskampfes in Kurdistan und der Revolution in Rojava als Teil der Frauenbewegung entstanden ist.
Gemeinsam Kämpfen ist eine feministische Kampagne, die am 25. November 2017, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, ins Leben gerufen wurde und langfristig angelegt ist. Das Ziel ist es, das Wissen über die Revolution in Rojava als Frauenrevolution zu verbreiten.
Materialistischer Feminismus in Theorie und Praxis
Sonntag, 16. Februar 2020 | 16 Uhr | Hansa48 (Kneipe) | Hansastr. 48, Kiel
Feminismus ist heute so en vogue wie noch nie und trotzdem hält sich Geschlechterungleichheit hartnäckig. Die ungerechte Verteilung von Haus- und Sorgearbeit und ihre Auswirkungen sind nur ein Beispiel dafür. Staatliche Gleichstellungsstrategien oder Karriereratgeber für Frauen* können dem nur wenig entgegensetzen. Im Gegenteil: sie machen Ungleichheit zu einem ganz individuellen Problem, das mit mehr Anstrengung und Leistung gelöst werden soll. Materialistischer Feminismus nimmt hingegen die Gesellschaft als Ganzes in den Blick und benennt die strukturellen Ursachen von Geschlechterungleichheit. Gleichzeitig geht es dem materialistischen Feminismus aber nicht nur darum die Verhältnisse zu kritisieren, sondern auch zu verändern.
Der Vortrag führt in die Theorie, Ziele und Anliegen des materialistischen Feminismus ein. Im Anschluss gibt es die Gelegenheit praktische Strategien und Interventionsmöglichkeiten zu diskutieren.
Friederike Beier ist Politologin im Arbeitsbereich Gender & Diversity an der FU Berlin. Sie lehrt und forscht zu sozialer Reproduktion, materialistischem Feminismus und feministischer Staatstheorie. Sie ist Autorin und Mitherausgeberin des Sammelbandes „materializing feminism. Positionierungen zu Ökonomie, Staat und Identität“ und Gründungsmitglied des Politologinnen-Instituts.
„Uns reicht’s. Wir streiken!“: Zur Geschichte und Perspektive von Frauen*streiks
Donnerstag, 23. Januar 2020 | 19 Uhr | Li(e)ber Anders | Iltisstr. 34, Kiel
Über die Geschichte von Arbeitskonflikten und Streiks gibt es viele Erzählungen. Was hierbei fehlt sind geschlechtsspezifische Analysen. Besaßen Frauen* lange als „Arbeitspersonen“ keinen Subjektstatus, weil sie in der Erwerbsarbeit traditionell nicht vorgesehen sind, so trifft das erst recht bei der Betrachtung von Arbeitskämpfen zu: Streikende Subjekte wurden lange Zeit ausschließlich männlich gedacht. An diesem Abend soll es um die zu Unrecht vergessenen Frauen* gehen, die an Streiks beteiligt waren und um Frauen*streiks, die der historischen Arbeiterbewegung oft erst ihren Schwung gaben. Ihr Einsatz, ihre Forderungen und ihre Wirkungen haben sich im Laufe der Zeit und mit zunehmender Erstarkung der Frauen*bewegung geändert.
Gisela Notz unterscheidet zwischen Streiks, die mehrheitlich von Frauen* getragen wurden, „reinen“ Frauenstreiks und kollektiven Frauen*aktionen zur Unterstützung streikender Männer. Den Schwerpunkt bilden Frauen*streiks, bei denen sowohl bezahlte wie auch unbezahlte Arbeit bestreikt wurde, wie etwa beim isländischen (1975), schweizer (1991), deutschen (1994) oder spanischen (2018) Frauen*streik. Die meisten der 1994 beim Streik in der BRD gestellten Forderungen bestehen bis heute fort. Daher wird die feministische Bewegung die, in den letzten Jahren wiedergefundene Streikkultur auch in diesem Jahr fortsetzen und ihren Protest wieder auf die Straße und in die Betriebe tragen. Was für eine Perspektive feministische Streiks heute haben und wie sie unter den derzeitigen Verhältnissen aussehen können, möchten wir gemeinsam mit Euch diskutieren.
(1) Wir haben die Begriffe „Frau“ und „Mann“ mit * markiert, weil wir zum einen darauf hinweisen wollen, dass Zweigeschlechtlichkeit nichts Natürliches, sondern eine soziale Konstruktion ist, die patriarchale Herrschaftsverhältnisse schafft und stützt. Das Sternchen soll auch zeigen, dass es eben mehr als zwei Geschlechter gibt und trotz der verbreiteten Kategorisierung “Frauenstreik” nicht nur Frauen, sondern auch nichtbinäre und genderqueere Personen an solchen Streiks teilgenommen haben und teilnehmen. Wir freuen uns darauf, zu erfahren, wer sich in diesen Kämpfen wie und mit wem organisiert (hat).
Die Veranstaltungen finden in Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung S-H statt.
Perspektive Solidarität Kiel – linksradikal*revolutionär (PSK)
www.perspektive-solidaritaet.org | mail@perspektive-solidaritaet.org